TRIEGEL TRIFFT CRANACH
Der Marienaltar im Naumburger Dom

Lucas Cranach d. Ä. schuf im Jahr 1519 für den Marienaltar des Naumburger Westchors ein dreiflügeliges Altarretabel. Das mit einer Darstellung der Gottesmutter Maria mit Kind versehene Mittelteil des Retabels wurde 1541 im Zuge einer bilderfeindlichen Aktion zerstört. Auf diese Weise verlor der Westchor seine Patronin.

Die großformatigen Seitenflügel mit der portraithaften Darstellung der beiden Stifterbischöfe und verschiedener Heiliger haben die Jahrhunderte überdauert und waren bisher im Domschatzgewölbe des Naumburger Doms ausgestellt. 

Nach mehr als 500 Jahren wurden die beiden originalen Flügel um ein vom Leipziger Künstler Michael Triegel neu geschaffenes Mittelteil sowie eine Predella ergänzt. 

Mit diesem Altarretabel gewann im Juni 2022 der Westchor des Naumburger Doms temporär seinen liturgischen Mittelpunkt zurück.

Bis zum 4. Dezember 2022 war der Altar im Naumburger Westchor zu sehen, bevor er auf eine knapp einjährige Ausstellungsreise ging. Zwischen dem 17. Dezember 2022 und dem 11. Juni 2023 wurde der Altar im Diözesanmuseum Paderborn gezeigt. Anschließend war er vom 22. Juni bis November 2023 im Marmorsaal des Stiftes Klosterneuburg bei Wien zu sehen. Hier erhalten Sie einen Eindruck von der Präsentation des Altars vor Ort. Ein Resümee der beiden Ausstellungsstationen können Sie hier lesen.

Im Dezember 2023 ist der Altar in den Westchor des Naumburger Doms zurückgekehrt und wird dort bis Juli 2025 zu sehen sein.

Hier erhalten Sie in einer 360 Grad Tour einen Eindruck vom Altar im Westchor.

Der Marienaltar von Lucas Cranach d.Ä.

Einschneidend waren die Veränderungen des Westchors im ersten Viertel des 16. Jahrhunderts, die im Zusammenhang mit der Umgestaltung des Raums als Grabkapelle Bischof Johannes von Schönberg standen. Zwischen 1517 und 1519 erhielten die Passionsreliefs und die Kreuzigungsgruppe des Lettners sowie die Stifterfiguren gedecktere Fassungen. Die seit dem 13. Jahrhundert bezeugten Nebenaltäre im Westchor wurden entfernt, so dass nur noch der zentrale Marienaltar des Chors stehenblieb. Für diesen wurde ein dreiflügeliges Altarretabel bei Lucas Cranach d. Ä. in Wittenberg für den enormen Preis von 500 Gulden in Auftrag gegeben. Die Fertigstellung des Cranach-Altars war der Höhe- und Schlusspunkt der 1519 endenden Baukampagne. 

Das der Gottesmutter Maria geweihte Retabel stand mehr als 20 Jahre auf dem Altar. Im Zuge der Religionsstreitigkeiten der Reformationszeit verschaffte sich der evangelische Superintendent Nikolaus Medler mithilfe der Fleischerinnung 1542 gewaltsam Zugang zum Naumburger Dom. Veranlasst durch den Befehl des Kurfürsten von Sachsen entfernte er verschiedene Mariendarstellungen, zu denen auch das Mittelteil des Cranach-Altars zählte.

Die bis heute erhaltenen großformatigen Seitenflügel des Cranach-Altars mit der porträthaften Darstellung der beiden Stifterbischöfe und verschiedener Heiliger, von denen Maria Magdalena und Jakobus d. Ä. aus ihrer feinen Ausführung herausragen, zeugen von der außergewöhnlichen Qualität des Werkes. Sämtlichen auf den Flügelinnen- und Außenseiten dargestellten Heiligen (Barbara, Katharina, Philippus, Jakobus d. Ä., Jakobus d. J. und Maria Magdalena) waren zuvor Nebenaltäre im Westchor geweiht. Insofern ist der Cranach-Altar als entscheidender liturgischer Traditionspunkt des Westchors aufzufassen. Auffällig ist der gestaltete Goldhintergrund der Innenseiten der Seitenflügel, der mit Sicherheit auch auf dem verlorenen Mittelteil fortgeführt worden war und auf eine prächtige Wirkung des Retabels abzielte. 

Da Cranach seinen Altar nach Abschluss der Neufassung der Stifterfiguren und Passionsreliefs vollendete, kann davon ausgegangen werden, dass er die Größe und Wirkung des Retabels in Berücksichtigung der Raumverhältnisse des Westchors und der neu gefassten Stifterfiguren konzipiert hatte.

Das Projekt Triegel trifft Cranach

Im Einvernehmen mit der Evangelischen Kirchengemeinde Naumburg beabsichtigen die Vereinigten Domstifter mit dem Altar die spirituelle Anziehungskraft des Naumburger Doms zu erhöhen. Unterstützt von den Bischöfen der Evangelischen Kirche Mitteldeutschlands und des katholischen Bistums Magdeburgs sowie von namhaften Kunsthistorikern liegt das Hauptaugenmerk darauf, das von Lucas Cranach d. Ä. geschaffene Altarretabel auf dem Marienaltar im Westchor in Verbindung mit zeitgenössischer Kunst wiedererstehen zu lassen und liturgisch in den Dienst der Verkündigung zu stellen.

Auf diese Weise gewinnt der Westchor temporär seinen liturgischen Mittelpunkt zurück. Dadurch wird eine seit der Reformationszeit schwärende Wunde der Konfessionsgeschichte geheilt und ein wichtiger ökumenischer Impuls ausgesendet.

 

Auf der Vorderseite wird eine „Sacra Conversazione“ dargestellt. Zentral präsentiert Maria den neugeborenen Heiland, während zahlreiche Persönlichkeiten, die sowohl als einst im Westchor verehrte Heilige – ergänzt um Dietrich Bonhoeffer – als auch als gegenwärtige Menschen interpretiert werden können, ein Ehrentuch halten und kindhafte Engel dazu musizieren. Sie verdeutlichen dem Betrachter, dass das Heilsgeschehen immer auch einen eigenen, persönlichen Bezug hat, der des Engagements des Einzelnen bedarf. 

Auf der Rückseite des Mittelteils ist der Auferstandene als „Salvator Mundi“ zu sehen. Er ist inmitten der Architektur des Naumburger Westchors dargestellt und verdeutlicht auf diese Weise, dass die Vollendung der Heilsgeschichte nicht in einem undefinierbaren zeitlich und räumlich entfernten Raum geschehen wird, sondern auch konkret und unmittelbar an diesem Ort möglich ist. 

Die Predellen auf der Vorder- und Rückseite verweisen auf die Symbolik des Abendmahls bzw. auf die Passion.

 

Der Künstler Michael Triegel

Michael Triegel wurde 1968 in Erfurt geboren und studierte von 1990 bis 1997 Malerei an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst bei Arno Rink und Ulrich Hachulla. Internationale Bekanntheit erlangte Triegel 2010, als er den Auftrag erhielt, Papst Benedikt XVI. zu porträtieren. 

Zuvor waren bereits einige kirchliche Aufträge von ihm ausgeführt worden, so z.B. zwei großformatige Altarbilder für die Kirchen in Grave und Ebern und ein Deckengemälde für die Dommusik Würzburg. Es folgte 2011 der dritte Altar für die Kirche St. Augustinus in Dettelbach sowie 2015 die Ausgestaltung zweier Kirchenfenster für die Pfarrkirche St. Marien in Köthen. 

2017 wurde sein Andachtsbild Barmherziger Jesus in der Kirche St. Peter und Paul in Würzburg eingeweiht. 2018 folgte das Hochaltarbild „Menschwerdung“ für die Kirche St. Oswald in Baunach. 

Michael Triegel gilt neben Neo Rauch als wichtigster Vertreter der Neuen Leipziger Schule.

 

 

Der Naumburger Westchor

Die zwölf überlebensgroßen Stifterfiguren im Westchor des Naumburger Doms verfügen über eine unvergleichliche Wirklichkeitsnähe und individuelle Ausdruckskraft, wie sie bis dahin nie und danach auch nur selten erreicht wurden.

Wie die Blickrichtungen der Stifterfiguren Ekkehard, Uta, Dietrich und Hermann erweisen, war das liturgische Zentrum des Raumes von Anfang an der zentrale Altarblock im Polygon, der der Gottesmutter Maria geweiht war (urkundlich belegt seit 1281). 

Stipes und Mensa aus Freyburger Muschelkalk sind original erhalten. Im Siegelbild der führenden Dignitäre des Domkapitels treten seit der Mitte des 13. Jahrhunderts auffällige Veränderungen ein. Die figürliche Darstellung von Maria mit Kind erschien nun erstmals gleichberechtigt neben den Dompatronen Peter und Paul im stilisierten viertürmigen Gehäuse des Doms. Aufgrund dieser Siegelgestaltung und vergleichbarer erhaltener Beispiele in Europa ist von einer ursprünglich auf dem Hauptaltar des Westchors vorhandenen Skulptur einer Madonna im Schrein oder Baldachin auszugehen, die jedoch nicht mehr erhalten ist.

 

Das Projekt wurde ermöglicht mit der freundlichen Unterstützung von

und zahlreichen privaten Spendern.

Die Vereinigten Domstifter danken allen Partnern und Unterstützern.

 

 

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